Eine Hochzeit in Zeiten von Corona

Ich hatte bereits hier etwas zu Fotografie in der gegenwärtigen Corona-Situation geschrieben. In diesem Beitrag ging es mir darum, auszuprobieren, wie man die Leere in der Stuttgarter Innenstadt erfassen kann. Jetzt geht es darum, wie ich Nähe in Zeiten von Corona erfassen und vielleicht auch erzeugen kann.

Recht kurzfristig kam ich dazu, bei einer Hochzeit zu fotografieren. Hochzeiten … das sind viele Menschen, hohe Erwartungen und einmalige Chancen. Portrait- und Eventfotografie sind nicht in meiner Wohlfühlzone enthalten. Also raus mit mir aus der Komfortzone und was Neues ausprobieren.

Die Vorbereitung

Zu Beginn wusste ich nur, dass die Hochzeit (Standesamt) in historischem Gemäuer mit nur wenigen Gästen und viel Abstand statt findet.

Erster Schritt meiner Vorbereitung ist das Googlen der Location. Die Bilderrecherche zeigt schonmal ein paar schöne Spots und Google Maps zeigt auch einen nahegelegenen Park. Hier sollte sich doch bestimmt etwas machen lassen.

Der zweite Schritt ist die Auswahl der Ausrüstung.

  • 70-200mm für Portrait- und Detailaufnahmen (und den notwendigen Abstand)
  • 20mm für die Umgebung
  • Aufsteckblitz mit Bouncer für weicheres Licht und Verlängerungskabel für entfesseltes Blitzen
  • Geladene (!) Akkus, Powerbank, USB-Ladegerät und Speicherkarten
  • Stativ (für alle Fälle)

Ich habe mich bewusst gegen mein 18-105mm Kit-Objektiv entschieden, obwohl das natürlich einiges an Gewicht gespart hätte. Aber bei einer einmaligen Hochzeit wollte ich keine Abstriche bei der Qualität hinnehmen.

Schritt Drei: Überlegen, was geeignete Locations und Situationen sind.

  • Den standesamtlichen Teil kann ich nicht fotografieren, da nur Trauzeugen und Brautpaar erlaubt sind.
  • Vor dem Gebäude warte ich mit den Eltern der Braut auf das Brautpaar. Hier ergeben sich bestimmt einige schöne Aufnahmen.
  • Den ersten Blick auf das Brautpaar nach der Trauung bekomme ich, wenn dieses mit den Trauzeugen das Gebäude verlässt. Davor kann ich mit den Brauteltern die Aufnahmesituation simulieren, damit Licht (mit Blitz) passt und die Komposition stimmt.
  • Klassisches Anstoßen und Gruppenfotos wird es ja nicht geben. Hier bin ich entsprechend gespannt, was sich ergibt.
  • Gestellte Aufnahmen mit den Ringen etc. – also quasi die Klassiker.
  • Gruppenfoto trotz Corona? Vielleicht kann ich ja das Brautpaar, die Brauteltern und die Trauzeugen V-förmig arrangieren, dass ein Gruppenbild entsteht und trotzdem der Sicherheitsabstand eingehalten wird? Kann klappen.

Die Durchführung

Generell gilt: Die Zeiten sind eine Herausforderung und die Eindämmung von Corona hat Priorität. Das zieht sich durch die gesamte Aufnahmesituation. Immer soviel Abstand wie möglich, kein direkter Kontakt und viel Rücksicht auf die anderen Menschen.

Das Veröffentlichen von personenbezogenen Bildern ist schwierig und die rechtlichen Vorgaben sind eng. Ich persönlich möchte auch nicht, dass ungefragt Bilder von mir veröffentlicht werden. Hier kann ich nur jedem Fotografen raten, sich mit dem Thema zu beschäftigen. Oder darauf zu verzichten. Ich verzichte hier auf eine Veröffentlichung und bleibe in der Konsequenz Beispielbilder schuldig.

Der Termin war um die Mittagszeit bei wolkenlosem Himmel. Für das Licht bedeutet das harte Schatten und harte Kontraste. Um gegenzusteuern hatte ich meinen Aufsteckblitz mit Bouncer montiert. Der Bouncer (Diffusor) sorgt für ein weicheres, gestreutes Licht. Es ist weniger wahrscheinlich, dass das Motiv „tot geblitzt wird“. Zum Testen musste dann meine Freundin herhalten.

Die Umgebung des Standesamts war weniger spektakulär als die Google Bildersuche suggeriert hat. Interessante Motive? Fehlanzeige. Auch der Plan, mit den Eltern der Braut in den nahen Park zu gehen und dort ein paar Aufnahmen zu machen, ging nicht auf. Hier waren die Gedanken einfach bei der heiratenden Tochter und die Zeit knapp kalkuliert. Hier musste ich anpassen und wollte auch keine Aufnahmen erzwingen.

Ein paar Worte zu Kameraeinstellungen. Es war wirklich sehr hell und ISO 100 angemessen. Obwohl ich ein sehr großer Freund davon bin, immer mit Offenblende zu fotografieren, habe ich bewusst abgeblendet. Die Schärfentiefe wird dadurch größer und der Autofokus hat eine höhere Trefferwahrscheinlichkeit. Der Aufnahmemodus war A (Fixe Blende und passende Belichtungszeit) in Kombination mit der Serienbildaufnahme.

Wie oben beschrieben wollte ich mich auf die Lauer legen und das Brautpaar direkt ablichten, sobald es aus dem Standesamt herauskommt. Tja, das Brautpaar kam nicht nur zur falschen Tür heraus. Nein, ich war auch gerade mitten im Umbau der Ausrüstung. Ein paar schöne Bilder sind trotzdem entstanden, aber die erste Chance habe ich verpasst. Deshalb Lektion 1: Kalkuliere die Zeit großzügig!

Ich habe noch ein paar Detailaufnahmen von zwei kleinen Hochzeitsgestecken gemacht. Bei der Nachbearbeitung musste ich hier einen Geschenkumschlag herausretuschieren. Das war kein Problem, weil der Marmoruntergrund so unruhig war, dass gnadenloses Überstempeln nicht auffällt. Aber das nächste Mal schiebe ich einfach ein störendes Element beiseite oder arrangiere die Szenerie einfach um. Das als Lektion 2.

Danach ist das Brautpaar zu einem nahen Brunnen … um den gerade Markt war. Die Aufnahmesituation war hier für mich durch Gegenlicht und Menschen erschwert. Vorsorglich hatte ich wieder auf 20mm umgerüstet und konnte so auch auf die Nähe Aufnahmen machen. 20mm sind definitiv keine Portraitlinse, aber für eine Ganzkörperaufnahme gut einsetzbar. Da es trotzdem zu einer Verzeichnung kommt, sollte das Motiv aber in der Bildmitte sein. Hier war es wichtig, dass ich meine Kamera fast blind beherrsche. So konnte ich schnell eine Belichtungskorrektur machen und die Blende anpassen. Ganz zu schweigen von der Verlagerung des Fokuspunkts.

Die nächste Station war ein Park. Hier konnte ich mich austoben. Ich habe wieder auf 70-200mm umgebaut, aber auf den Blitz verzichtet. Es war eher schattig und ich konnte gute Aufnahmen des Brautpaares einfangen. Das anfangs geplante, gestaffelte Gruppenfoto hat gut funktioniert. Eltern der Braut links, Brautpaar nach hinten versetzt in der Mitte des Bildes. Und Trauzeugen (mit Abstand) noch weiter nach hinten versetzt am rechten Rand des Bildes. Vielleicht wäre ein anderes Arrangement besser gewesen, aber das Ergebnis gefällt mir. Hier übrigens Lektion 3: Dirigieren. Verbal und mit Händen und Füßen. Der Fotograf hat die Bildidee und muss diese an die Motive weitergeben. Im Park waren wir viel unterwegs und irgendwann muss ich an den Schalter für den Bildstabilisator am Objektiv gekommen sein. Einige Bilder sind deshalb verwackelt bzw. nicht so scharf wie sie hätten sein können. Deshalb der Hinweis: Regelmäßig die kleinen Schalter (sofern vorhanden) prüfen.

Die nächste Station war ein Waldparkplatz zum Anstoßen und der Geschenkeübergabe. Wie bereits gesagt: Immer maximaler Abstand zwischen Personen, die nicht im selben Haushalt leben. Bei dieser Station habe ich gemerkt, wie erschöpfend Fotografieren ist. Man muss die Umgebung beobachten, Motive antizipieren, die Kamera einstellen, Kamera und Objektiv halten, Anweisungen geben und kreativ sein. Hier habe ich fast nur noch dokumentiert und zum Abschluss noch die klassischen Fotos der Ringe gemacht. Quasi als Close-up von weit weg.

Lessons learned

Ich habe bereits drei Lektionen genannt.

  • Kalkuliere die Zeit großzügig
  • Arrangiere Szenen
  • Dirigiere Motive

Zur Vorbereitung empfehle ich aber dringend, nicht zu blauäugig an eine Hochzeit heranzugehen. Hier war es eine sehr kleine Veranstaltung, die mich trotzdem sehr gefordert hat. Respekt für die Profis! Ich habe definitiv von meiner, wenn auch kurzen, Vorbereitung profitiert. Schaut euch die Location(s) vorher an, entwickelt Aufnahmeideen und schaut euch die „Klassiker“ an. Und befasst euch mit der Kamera. Wo ist die Belichtungskorrektur, wo kann man den Fokuspunkt verschieben? Kontrolliert auch regelmäßig das Bild auf dem Display und die Einstellungen am Objektiv (Bildstabilisator). Ist das Bild zu hell/dunkel? Dann ist vielleicht noch eine Belichtungskorrektur eingestellt. Bild unerwartet unscharf? Dann ist vielleicht der Bildstabilisator aus. Oder im schlimmsten Fall sogar der Autofokus. Bei der großen Feier nach Corona werde ich meiner Freundin einen Reflektor besorgen und mit ihr üben, wie man Licht gut lenkt. Das hätte mir häufig das Leben etwas erleichtert.

Obwohl ich (noch) sehr weit von „Profi“ weg bin, bin ich mit den Bildern zufrieden. Und das Brautpaar hoffentlich auch, was ja das wichtigste ist.

Doch noch ein Bild zum Abschluss