Die Belichtung
Was machen wir eigentlich beim Fotografieren? Klar, wir suchen uns hübsche Dinge, überlegen uns einen schönen Blickwinkel, stellen noch Brennweite, ISO, Blende etc. ein und drücken auf den Auslöser. Aber was machen wir eigentlich? Wir fangen Licht ein. Also die Kamera fängt das Licht ein und wandelt es in ein Bild um. Und wir stellen das Bild dann auf Instagram. Aber woher weiß denn die Kamera, wieviel Licht benötigt wird? Diese Frage gehe ich hier an, wobei ich die technischen Details ignoriere und mich auf die Relevanz für uns Fotografen fokussiere.
Einstellungen an der Kamera
Die Menge an Licht ist von drei Größen abhängig: Der Blende, der Belichtungszeit und der Empfindlichkeit (ISO). Alle drei Größen führen eine Dreiecksbeziehung. Wenn ich eine Größe verändere, dann kann bzw. muss ich eine andere Größe ebenfalls verändern, damit die Lichtmenge gleich bleibt und das Bilder weder heller noch dunkler wird. Wenn ich die Belichtungszeit verdopple, dann kann ich die ISO halbieren. Wenn ich die Blende um eine ganze Blende öffne, dann kann ich die Belichtungszeit halbieren. Die Blende hat näherungsweise das Verhältnis 1:1,4. Von 1.4 geht es zu 2, dann zu 2.4 und zu 5.6. Dann Blende 8, 11, 16 und 22. Es sind aber auch noch Zwischenstufen möglich, dann dürfen andere Werte aber nicht verdoppelt oder halbiert werden. Damit wir uns auf das Motiv konzentrieren können, bieten uns Kameras im Normalfall die Modi A, S, P und M an (bezogen auf Nikon).
Modus A: Zeitautomatik
In diesem Modus stellt der Fotograf die Blende ein und die Kamera berechnet die optimale Belichtungszeit. Hier hat man volle Kontrolle über den Schärfeverlauf als Gestaltungsmittel.
Modus S: Blendenautomatik
In diesem Modus stellt der Fotograf die Belichtungszeit ein und die Kamera berechnet die optimale Blende. Hier hat man volle Kontrolle über die Darstellung einer Bewegung. Soll sie fließend sein? Oder eingefroren? Dafür ist der Modus S super.
Modus P: Vollautomatik
In diesem Modus stellt der Fotograf gar nichts ein. Die Kamera wählt die Blende und die Belichtungszeit selbstständig. Der Fotograf hat fast keine Kontrolle über Blende und Belichtungszeit. Hier ist lediglich Program Shift möglich. Der Modus ist für Schnappschüsse super.
Modus M: Der Manuelle
In diesem Modus stellt der Fotograf Blende und Belichtungszeit ein. Entsprechend gibt es hier die volle Kontrolle. Wenn sich die Lichtverhältnisse nicht ändern und alle Bilder denselben Look haben sollen, dann ist dieser Modus perfekt. In diesem Modus ist trotzdem der Belichtungsmesser der Kamera aktiv und Zeit auf der Belichtungsskala an, ob die Aufnahme (laut Kamera) unter- oder überbelichtet ist.
Und jetzt?
Woher weiß die Kamera, wieviel Licht für eine gute Belichtung ausreichend ist? Ein Beispiel: Ich stelle die Kamera auf A, die Blende auf 8 und drücke ab. Die Kamera macht ein Bild mit 1/30s Belichtungszeit. Aber warum? Die Belichtungsmessung der Kamera geht davon aus, dass jede Szene 18% des Lichts reflektiert, was einem mittleren Grau entspricht. Diesen Wert erwartet die Kamera und wenn zu viel oder zu wenig Licht da ist, wird entweder die Belichtungszeit oder Blende (A und S) bzw. nichts (M) oder beides (P) geändert. Und jetzt kommt der Fotograf ins Spiel. Eine dunkle Szene wird die Kamera in A, S und P immer anders wahrnehmen als der Fotograf mit seinen Augen. Der Fotograf denkt sich folgendes: Es ist dunkel, da kann ich nichts machen. Die Kamera denkt sich: Es ist dunkel (=weniger als 18% reflektiertes Licht). Ich schaue länger hin (= längere Belichtungszeit). Die Kamera wird die Einstellungen so wählen, dass die Szene zu hell ist bzw. nicht der Wahrnehmung des Fotografen entspricht. Hier muss man der Kamera unter die Arme greifen und eine Korrektur vornehmen. Es gibt mehrere Ansatzpunkte:
- Belichtungskorrektur
- Auswahl eines anderen Messmodus (Matrix, Spot, Mittenbetont etc.)
Bei der Belichtungskorrektur wird der freie Parameter (A: Belichtungszeit, S: Blende) abweichend von der Meinung der Kamera verändert, während ein anderer Messmodus die Messgrundlage verändert.
Die Belichtungskorrektur
Im Folgenden zeige ich anhand eines Beispiels den Einfluss der Belichtungskorrektur auf eine Szene. Beide Bilder entstanden bei einsetzendender Dämmerung in der Wilhelma Stuttgart. Das linke Bilde entspricht der Belichtung, die die Kamera gewählt hat. Das Bild ist zu hell und entspricht nicht meinem Wahrnehmungseindruck. Beim rechten Bild habe ich die Belichtung um einen Lichtwert reduziert. Die Kamera hat ein Bild produziert, das meiner Wahrnehmung in dieser Situation entspricht (obwohl die Kamera das Bild für unterbelichtet hält), indem sie die Belichtungszeit von 1/60s auf 1/160s reduziert hat.
Modus A, 1/60s; f4, ISO 200 @200mm. Unkorrigierte Messung der Kamera (D5300), Matrixmessung Modus A, 1/160s; f4, ISO 200 @200mm. Korrigierte Messung der Kamera (D5300), Matrixmessung
Der Messmodus
Der Messmodus verändert die Datengrundlage der Kamera. Bei der Matrixmessung wird das komplette Bild gemessen. Sofern keine harten Kontraste vorhanden sind, funktioniert das meistens sehr gut. Bei der Spotmessung wird die Helligkeit dort gemessen, wo der Fokuspunkt liegt. Für kontrastreiche Szenen eine gute Wahl. Die Mittenmessung misst die Belichtung mit Betonung der Bildmitte. Unabhängig von Fokuspunkt etc.
Spotmessung Mittenbetonte Messung
Im linken Bild habe ich die Spotmessung verwendet und auf die Blütenmitte fokussiert. Die Szene ist sehr hell. Bei Matrixmessung wäre die Szene deutlich dunkler geworden. Im rechten Bild habe ich die mittenbetonte Messung genommen. (Wahrscheinlich ein Versehen, da ich diese Messung fast nie verwende.)
In den folgenden Bildern habe ich in der gleichen Szene alle drei Messmodi ausprobiert. Mich hat überrascht, dass alle Bilder trotz veränderter Messmethoden sehr ähnlich sind. Lediglich bei der mittenbetonten Messung hat die Kamera 1/500s statt 1/400s wie bei den anderen Bildern angesetzt.
Mehrfeldmessung, 1/400s, f2,8 @ 200mm Mittenbetonte Messung, 1/500s, f2,8 @ 200mm Einzelpunktmessung auf den Jungflamingo 1/400s, f2,8 @ 200mm
Das Histogramm
Um die Belichtung zu beurteilen gibt es häufig den Tipp, dass man sich das Histogramm eines Bildes anschauen soll. Ein Histogramm ist eine Häufigkeitsverteilung von Werten. In der Fotografie wird die Häufigkeit von dunklen und hellen Farbwerten angegeben. Die Idee ist, dass das Histogramm eines gut belichteten Bildes wie ein Berg aussieht. In der Mitte der Gipfel und Ausläufer an die Ränder. Also weder komplett schwarze noch komplett weise Werte aufweist. Das vernachlässigt aber komplett den Bildinhalt. Wie im oberen bei den Pinguinen. Die sind halt schwarz und weis … unabhängig von der Belichtung. Die linke Szene ist sehr hell. Die Blume ist weis und der Hintergrund ist auch eher hell.
Rechtsteile Verteilung Dominante Verteilung dunkler Werte
In beiden Fällen wäre nach der Faustregel das Bild nicht gut belichtet.
Wenn auf die Belichtungsmessung der Kamera zurückgreift, dann gibt es (mindestens) drei Situationen, an denen die Bilder falsch belichtet werden.
- Die Szene ist hell. Das Bild wird zu dunkel. Das ist der Fall bei Fotos im Schnee oder an einem hellen Sandstrand.
- Die Szene ist dunkel. Das Bild zu hell. Das ist der Fall bei Fotos bei Nacht oder Dämmerung. Die Kamera will das fehlende Licht ausgleichen.
- Das Motiv ist hell oder dunkel. Hier gelten im Prinzip die Punkte 1 und 2. Aber es kann zu interessanten Interaktionen kommen.
Alle Probleme können korrigiert werden. Entweder durch die Belichtungskorrektur, einen anderen Messmodus oder den Wechsel in den Modus M und damit Anpassung aller Werte und etwas Trial and Error. Man muss nur wissen, wo das Problem liegt. Und das liegt daran, dass die Kamera davon ausgeht, dass jede Szene ein mittleres Grau ist … was Gott sei dank nicht der Fall ist.
Probiert doch mal Folgendes aus: Fotografiert in A oder S formatfüllend eine weise Wand, ein Blatt Papier etc. Das Bild wird grau. Oder etwas schwarzes. Das Bild wird grau.