Lieblingsbilder

Streng genommen ist dieser Beitrag kein Projekt, sondern eine Sammlung von Gedanken. Aber trotzdem 😀

Lieblingsbilder. Jeder hat sie. Bilder, die irgendwie besonders sind. Bilder, bei denen wir denken „Ich mag das Bild.“ Aber was kann ein Bild zu einem Lieblingsbild machen? Was sind die Eigenschaften, die ein Bild zu einem Lieblingsbild machen (können)? Seien sie nun technisch besonders gelungen, interessant gestaltet oder einfach emotional bedeutend. Oder natĂŒrlich alles auf einmal. Ich denke, dass jeder ein paar Lieblingsbilder hat, ohne aber zu wissen, was dieses Bild so besonders macht. (Im Prinzip ist das aber eigentlich auch nicht wichtig. Hautsache ist, das Bild gefĂ€llt.) Schauen wir uns ein paar meiner Bilder an, die ich persönlich zur Kategorie meiner Lieblingsbilder zĂ€hle und schauen, was diese besonders macht. Es geht mir also darum, eine subjektive Einordnung mit objektiven Eigenschaften zu kombinieren. Lieblingsbilder sind fĂŒr mich nicht gleichzeitig auch die „besten“ Bilder (was immer ein Bild auch zum besten Bild macht).

Die Linien im Bild

Ein hÀufiges Mittel der Bildgestaltung sind Linien im Bild, die beispielsweise den Blick des Betrachters auf auf das Hauptmotiv lenken oder eine gewisse Symmetrie erzeugen. Im folgenden Beispiel werden durch die HÀuserschlucht und Schienen Linien erzeugt, die den Blick des Betrachters in die (annÀhernde) Bildmitte leiten.

Chicago, Adams Street. 20mm, f6.3.

Dieses Bild habe ich Chicago geschossen und Blick des Betrachters wird auf den Trump-Tower gelenkt. Auf dem linken Schienenstrang hĂ€lt momentan ein Zug, wodurch eine Asymmetrie entlang der LĂ€ngsachse erzeugt wird. Die Asymmetrie wird durch die unterschiedlichen HĂ€userfronten verstĂ€rkt. Die linke Seite ist chaotisch, kleinteilig und wirr. Die rechte Seite wirkt aufgerĂ€umt und großflĂ€chig.

Der Bildaufbau und die Erinnerungen an meine USA-Reise machen dieses Bild zu einem Lieblingsbild, ohne es gleichzeitig zu einem besten Bild zu machen. WĂ€re ich nochmals vor Ort, wĂŒrde ich Aufnahmeort und -zeit Ă€ndern. Dann wĂŒrde ich das Bild mindestens in der DĂ€mmerung aufnehmen und das Bild von der BrĂŒcke im Bild aufnehmen.

Der Goldene Schnitt

Als Faustregel gilt, dass man das Hauptmotiv nicht mittig abbilden sollte. Hier orientiert man sich am Goldenen Schnitt oder der Drittel-Regel. Diese Faustregel hat aber etliche Ausnahmen. Im Folgenden zeige ich zwei meiner Lieblingsbilder, welche den Goldenen Schnitt verwenden.

Die grĂŒne Fischerkugel liegt auf der rechten, vertikalen Schnittlinie. Der Hintergrund versinkt in UnschĂ€rfe, lĂ€sst aber eine maritime Einordnung vermuten. Die Kugel und umgebende Netz sind scharf abgebildet und bilden eindeutig das Hauptmotiv. Beim Bild mit dem Anlegepfosten liegt dieser auf der linken, vertikalen Schnittlinie. Der sichtbare Horizont liegt auf der obersten, horizontalen Schnittlinie. Wie beim ersten Bild ist der Hintergrund unscharf aber aber eindeutig maritim. Beide Bilder sind sehr minimalistisch ausgestaltet. Die Hauptmotive sind eindeutig identifiziert und selbst nicht sonderlich komplex. Durch den unscharfen Hintergrund erscheinen die Hauptmotive besonders prĂ€gnant. Dieser Minimalismus und die gefĂ€llige Gestaltung machen diese Bilder fĂŒr zu Lieblingsbildern.

Die Bildkomposition

Der Goldene Schnitt ist bei der Bildkomposition nicht alles. Der Vordergrund trÀgt ebenfalls zur Bildkomposition bei, wie das folgende Bild zeigt.

Leuchtturm der Insel Poel. 200mm, f4.0

Der Leuchtturm der Insel Poel ist eine touristische Attraktion und sitzt auf einem rechteckigen Bau, der nicht sonderlich fotogen ist. Die Perspektive vom Strand aus hat es mir ermöglicht, den Unterbau aus dem Bild zu nehmen und die Uferböschung als Vordergrund einzusetzen. Der Vordergrund ist unscharf und der Turm hebt sich so deutlich ab. Gleichzeitig ist das Bild auch wieder am Goldenen Schnitt orientiert. Die Farben wirken gedÀmpft und matt. Der Vordergrund gibt dem Bild auch Tiefe und der Himmel öffnet das Bild nach oben. Ohne den Vordergrund wÀre das Bild ein klassisches Postkartenmotiv. So ist es eines meiner Lieblingsbilder.

Die Situation

Wenn Bilder nicht inszeniert werden, dann haben sie immer auch einen situativen, einmaligen Charakter. Die beiden folgenden Bilder sind entweder vom Timing gelungen oder wirken durch (m)eine Interpretation.

Das Bild mit dem KapuzinerĂ€ffchen habe nahe am perfekten Zeitpunkt geschossen. Das Äffchen schaute mir quasi direkt in die Kamera. Zudem ist die Mahlzeit gut zu erkennen. Wieder ist der Hintergrund unscharf und die SchĂ€rfe ist auf die Gesichtsregion beschrĂ€nkt. Dadurch ist nicht das komplette Äffchen scharf abgebildet. Auf dem zweiten Bild sind zwei Sonnensittiche auf einem Sitzast zu sehen. Die Sittiche sind aus Sicht Kamera diagonal nach hinten versetzt. Lediglich der hinterste Sittich ist komplett scharf abgebildet. Der vordere, unschĂ€rfere Sittich öffnet den Schnabel und hat einen Fuß leicht erhoben. Der zweite, scharfe Sittich hat den Kopf gesenkt, die Augen geschlossen und einen Fuß zur Stirn erhoben. Wenn ich mich recht erinnere, dann waren beide Sittiche mit der Gefiederpflege beschĂ€ftigt. Was ich darin aber sehen möchte ich diese Situation. Der vordere Sittich hat einen Witz erzĂ€hlt, ĂŒber den er selber ausgiebig lacht. Der hintere Sittich fand den Witz saublöd, fasst sich an die Stirn und schĂŒttelt den Kopf. Die Bildgestaltung beziehungsweise der Bildaufbau bei beiden Bildern ist zufĂ€llig. Aber die Situation oder vielmehr meine Interpretation derer macht beide Bilder zu Lieblingsbildern.

Die Emotion

Bei Bildern geht es nicht immer nur um das Motiv. HÀufig geht es auch um den Aufnahmeort. Was ich damit meine, möchte ich an zwei Beispielen darstellen.

Beide Bilder sind an zwei meiner Lieblingsorte entstanden. Das Bild mit dem Farnbewuchs habe ich in einem alten GewĂ€chshaus in der Wilhelma Stuttgart aufgenommen. Das Hauptmotiv ist ein wild aufgegangener Farn auf einem Moosbett. Die Aufnahme ist eine Markoaufnahme, wodurch die GrĂ¶ĂŸenverhĂ€ltnisse relevant werden. Der Farn ist wesentlich kleiner als die Abbildung vermuten lĂ€sst. Der Farn wird von hinten mit weichem Licht durchleuchtet wodurch Wassertropfen auf seiner OberflĂ€che deutlich hervortreten. Das weiche Licht wird durch die Glasstruktur erzeugt ist charakteristisch. Im Hintergrund ist unscharf die fĂŒr das GewĂ€chshaus typische Fensterkonstruktion zu erahnen. Der Bildaufbau orientiert sich am Goldenen Schnitt, so ist liegen die Fensterkante und die Mooskante auf beiden horizontalen Schnittlinien und der Farn selbst liegt auf der rechten, vertikalen Schnittlinie. Der Bildaufbau ist minimalistisch und die Details des Mooses sind gut zu erkennen. Das zweite Bild zeigt einen Ausschnitt aus dem Französischen Themenbereich im Europa-Park mit FontĂ€ne, Menschen und charakteristischen Kuppel im Hintergrund. Das Bild ist durchgĂ€ngig scharf und ein Hauptmotiv ist schwer erkennbar. Die untergehende Sonne erzeugt eine rötliche FĂ€rbung und gleichzeitig ausgeprĂ€gte Schattenbereiche. Beide Bilder leben vom Wissen um den Aufnahmeort und dessen subjektive WertschĂ€tzung. Die Zuordnung der Fensterkonstruktion zum GewĂ€chshaus erfordert Vertrautheit mit der Wilhelma Stuttgart. Das zweite Bild funktioniert analog. Nur Kenner es Ortes bemerken, dass das Bild vor September 2018 entstanden sein muss, da sich die heutige Ansicht (2021/22) deutlich von der abgebildeten unterscheidet. Ohne persönlichen, subjektiven Bezug wirken beide Bilder nicht und werden zu einer bloßen, recht uninteressanten Makroaufnahme und einem schlecht belichteten Schnappschuss.

Der Knaller

Es gibt Bilder, die machen einfach BÄM! Hier erlaubt die Fotografie und auch die Bildbearbeitung echte Knaller. Technisch bedingt erlaubt eine Kamera mehr als das menschliche Auge. Ein Beispiel ist die Belichtungszeit. Das menschliche Auge kann nicht einfach lĂ€nger auf etwas schauen, um so mehr Licht einzufangen. Das Auge kann hier lediglich die Blende / Pupille weiter aufmachen und so mehr Licht auf Netzhaut zu lassen.

Schlossplatz Stuttgart. 20mm, f4.0, 4s

Das Bild zeigt einen Brunnen am Stuttgarter Schlossplatz mit einer moderaten Belichtungszeit von 4s. Das Wasser fÀllt dynamisch als weicher Schleier und bildet einen Kontrast zur statischen Szenerie mit Brunnen und Neuem Schloss im Hintergrund. Die Beleuchtung des Brunnens erzeugt einen knalligen, fast surrealen Effekt. Das Bild zeigt etwas, was das menschliche Auge nicht leisten kann. Und das macht das Bild zu einem Lieblingsbild.

Was macht ein Bild zum Lieblingsbild?

Die Einordnung als Lieblingsbild ist in erster Linie subjektiv. Aber mit ein paar objektiven Kriterien kann man die eigene subjektive EinschĂ€tzung unterfĂŒttern. Bei folgenden Listen erhebe ich natĂŒrlich keinen Anspruch auf VollstĂ€ndigkeit. Ich denke, dass folgende objektive Kriterien helfen können:

  • Linien: Gibt es Linien, die den Blick des Betrachters lenken?
  • Goldener Schnitt: Sind Hauptmotiv und andere Elemente anhand des Goldenen Schnitts ausgerichtet?
  • Bildkomposition: Gibt es eine stimmige Bildkomposition mit Vorder- und Hintergrund?
  • Knaller: Zeigt das Bild etwas, das man so nicht sehen kann?

Daneben gibt es auch subjektive Kriterien:

  • Situation: Zeigt das Bild eine interessante Situation oder lĂ€sst eine Interpretation zu?
  • Emotion: Sind mit dem Bild Emotionen verbunden?

Abschließend sind Lieblingsbilder subjektiv. Aber ein paar Kriterien können helfen, die Besonderheit aufzuzeigen.